Im letzten Blogpost dieser Reihe hab ich von den Entscheidungen rund ums Thema „Immobilienkauf“ geschrieben. Davon, dass ich was Besonderes haben wollte. Und das Besondere, aber leider auch viel zu teure, dann plötzlich von der Terrasse einer Freundin aus erspäht habe: die alte Schreinerei im Erdgeschoss, die noch zum Verkauf stand, weil sie noch keiner haben wollte. Meine Traumimmobilie.
Die Frage stellte sich, warum sie keiner wollte. Ich meine, wir reden von einem der beliebtesten Viertel mitten in Köln, Lindenthal. Von einem Hinterhaus aus dem Jahr 1900. Von einer freien Wohnung mit einer Grundfläche von über 170 Quadratmetern. Alles auf einer Fläche. Altbau. Hohen Decken. Großen Industriefenstern mit Rundbögen – kreisch! Und einem 50qm Innenhof, wo sich einem sogar bei minus zwei Grad Visionen von lauschigen Sommerpartys aufdrängen.
Warum zur Hölle wollte diese Traumimmobilie keiner haben?
Als ich das erste Mal durch das Gebäude ging, hab ich es wirklich nicht verstanden. Ich hatte Schnappatmung und konnte meinem Freund nur durch meine weit aufgerissenen Augen signalisieren: Ich. raste. aus.
Später wurde es mir dann klar. Die meisten, die hier durchgelatscht sind, konnten sich das Ganze wahrscheinlich schwer als fertige Wohnung vorstellen. Innen war das ja bis auf ein, zwei Wände, nur ein einziger großer Raum. Man musste in Gedanken also Wände einziehen, einen Boden verlegen, und sich alles dazu denken, was eine Wohnung sonst noch so braucht. Und die meisten wollen lieber was kaufen, was schon fertig ist. Sie wollen wissen, was sie kaufen, und sie wissen es nur, wenn sie es auch sehen. Bei mir ist das andersrum: Ich fand es sensationell, nur einen Rohbau zu haben, und selbst entscheiden zu können, wie das Ganze dann von innen aussieht. Wie ein Pax-Schrank, nur in Vintage. Perfekt!!!
Ich hatte also sofort Visionen, als ich die Schreinerei betreten habe.
Klar, ich hab viel Fantasie, sollte man als Drehbuchautorin auch haben, aber vor allem hab ich zwei Jahrzehnte lang alles mögliche aus Zeitschriften ausgeschnitten – Bäder, Böden, Küchen, Fliesen, Treppen, Türen, Wände, Interior und Wohn-Krimskrams. Alles, was ich hübsch fand. Was mich inspiriert hat. Mein Mood-Book! Ich hatte es bereits erwähnt.
Während andere also fleißig Bilder von Hochzeitstorten und Brautkleider sammelten, sammelte ich jahrzehntelang Bilder von Bädern, Sofas und Eames-Stühlen. Und es machte plötzlich Sinn. Ich hatte meine Antwort:
Die anderen hatten kein Mood-Book! Drum konnten wir durch die Immobilie spazieren, sagen, okay, die nehmen wir, und uns drei Monate Zeit mit der Finanzierung lassen. Aber dazu gleich mehr.
Wieder draußen war für uns beide jedenfalls klar: wir kaufen das. Und wenn wir dafür eine Bank überfallen!
Ein paar Tage vorher war das nämlich so. Ich kam nach Hause. Nach meinem “Ich-steh-auf-der-Terrasse-meiner-Freundin-und-erspähe-meine-Traumimmobilie-Erlebnis”. Ich hab es meinem Freund erzählt, aber eher so mit dem Tenor: „Du glaubst nicht, was für eine krasse Wohnung unter Julias & Johannes’ Bude ist. Der Hammer! Und diese Fenster! Na gut, es werden in diesem Leben wohl nicht mehr meine, aber – geil, was es alles gibt.“ Mein Freund so: „hmhm, jaja“. Am nächsten Tag, ich so: „okay, die Wohnung liegt außerhalb unseres Kosmos, aber, nur so aus Spaß, lass sie uns doch mal anschauen. Im Sinne von „Horizonterweiterung“. Wie sieht so eine unsanierte Schreinerei, die keiner will, überhaupt aus?!“ Mein Freund so: „hmhm, jaja.“ Ich also einen Termin mit der Maklerin gemacht. Und wir so die Wohnung angeguckt. Nur so aus Spaß…
Aber ich sag ja immer: es gibt keine Zufälle. Nichts passiert einfach so.
Und Tatsache ist doch auch: wenn man sich verliebt, verliebt man sich!
Natürlich hätten wir versuchen können, uns das Ding wieder aus dem Kopf zu schlagen. Aber leider neige ich dazu, theatralisch zu sein. Für mich war im Moment der ersten Besichtigung klar: Keine Immobilie, die wir uns für den Rest unseres Lebens angucken werden, und die wir uns leisten können, und die wir dann auch kriegen, wird jemals auch nur ansatzweise so cool sein, wie diese alte Schreinerei. Ergo werden wir uns nie was kaufen können. Weil im Vergleich alles durchfallen wird. Wir werden also für immer Miete zahlen müssen. Und damit – als selbständige Drehbuchautoren ohne Aussicht auf Firmenrente – in die Altersarmut rutschen. Weil wir im Alter zwar gespart haben, aber all unser Geld für die Miete draufgehen wird. 2050 wahrscheinlich 3000,- Euro im Monat. Die Schreinerei ging, die Inflation blieb.
Die Entscheidung war getroffen, wir wollten diese Traumimmobilie definitiv kaufen.
Nach der Entscheidung ist allerdings vor der Finanzierung.
Und als Freiberufler war es total schwer, eine Bank zu finden, die uns das finanziert. Wir verdienen zwar gut, aber bei Freiberuflern ist das immer so eine Sache. Theoretisch könnten wir morgen ohne Gehalt dastehen – zum Beispiel wenn die Serien, für die wir schreiben, eingestellt werden. Meine Appelle, dass wir aber ziemlich gut sind in dem, was wir machen, und andere Serien wirklich, wirklich froh wären, wenn wir Zeit für sie hätten, hat die Banken nicht interessiert. Warum auch, für die zählen nur Fakten, nicht mein Ego. 😉
Das zweite Problem war, dass wir mit dem Kredit erstens die Schreinerei als Rohling kaufen, und zweitens die Sanierung bezahlen wollten. Die Banken hatten aber Angst, dass wir den Rohling kaufen und mit dem Geld für die Sanierung dann irgendeinen Schindluder treiben (vielleicht über Winter in die Karibik fliegen, weil es uns ohne Heizung hier zu kalt wird?) – und sie dann, falls wir die Kreditraten nicht mehr zahlen können, kein schickes Loft in Lindenthal am Start haben, sondern eine unsanierte Schreinerei. Total strange, ich meine…
Ich lass die Bude doch nicht unsaniert! Ich hab ein Mood-Book! Mit Ideen für zwanzig Immobilien!
Aber was interessiert das ne Bank. Banken sind komisch. Aber: wahrscheinlich haben sie alles schon erlebt.
Am Ende haben wir nach langer Suche eine Bank gefunden, die uns das Geld gibt. Für alle Freiberufler unter euch mit den gleichen Plänen: Die Sparkasse Düsseldorf hat uns zugetraut, dass wir das schaffen. Oder vielleicht war es ihnen auch egal. Scheiß der Hund drauf, haben die sich wahrscheinlich gedacht, wenn die Idioten keine Aufträge mehr bekommen und die Raten nicht zahlen können, gehört die Bude eben uns (dass es eine unsanierte Schreinerei sein könnte, siehe oben, fanden sie wohl okay). Find ich aber richtig. Jeder ist doch für seine Entscheidungen selbst verantwortlich.
Wie bereits erwähnt haben wir allerdings drei Monate gebraucht, bis die Finanzierung stand. Normalerweise musst du das hier in der Großstadt in zwei Wochen durchklöppeln, wenn du eine Immobilie kaufen willst – keine Ahnung, wie andere Menschen das in der Zeit schaffen. Unser Schicksal hat es aber gut mit uns gemeint und uns einen Verkäufer gegeben, der es nicht eilig hatte. Oder eben schon ein halbes Jahr nach einem Käufer gesucht.
Übrigens wollte ich in diesem Post eigentlich schon über die Sanierung schreiben. Aber ich musste mir schon bei meinem letzten Beitrag dieser Reihe von einer Freundin anhören, er sei zu lang. Meine Schwester ging noch einen Schritt weiter und meinte, wenn ich nicht ihre Schwester wäre, hätte sie nach 2/3 aufgehört zu lesen. O-Ton: “Ich dachte die ganze Zeit: Alte, komm zum Punkt!“ By the way, ich mag sie trotzdem. Und: sie hat leider Recht. Ich kann weder schnell zum Punkt kommen, noch, mich kurz fassen. Das kann man aber üben! Was ich großzügig auf den nächsten Post verschiebe – bei dem ich erzähle, wie wir die Handwerker für unsere Sanierung ausgesucht haben und warum mich die Planung für den Umbau fast in die Nervenheilanstalt gebracht hat … ♥
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